Lösen Aktienkredite Börsencrashs aus?
Eine Stellungnahme von Ullrich Angersbach, Marketingexperte für Finanzprodukte und Marketingcoach
Als 2008 das Weltfinanzsystem vor dem Kollaps stand, glaubten viele an eine Wiederholung der Weltwirtschaftskrise, die 1929 mit einem Börsencrash begann. Doch durch das beherzte Vorgehen der weltweit wichtigsten Zentralbanken mit bisher undenkbaren Eingriffen in die Finanzmärkte, wendete sich das Blatt. Seit etwa März 2009 zeigen die globalen Aktienmärkte grundsätzlich nur noch in eine Richtung, nämlich nach Norden bzw. nach oben.
Welchen Zusammenhang gibt es zwischen Börsenkursen und Aktienkrediten?
Es gibt einen bemerkenswerten Zusammenhang zwischen den Börsencrashs von 2000 bis 2003 sowie von 2007 bis 2009 an den US-Aktienbörsen und den Krediten, mit denen Aktienkäufe finanziert wurden. Dies zeigt die obenstehende Graphik für die New Yorker Böse anschaulich (Quelle: advisorperspectives.com, Ullrich Angersbach übernimmt hierfür keine Haftung).
Immer wenn die Kredite zur Finanzierung von Aktienkäufen Höchststände erreicht haben, kam es in der jüngsten Vergangenheit zu einem Börsencrash. Auch jetzt steigen die Aktienkurse und die Kreditentwicklung wieder auffallend im Gleichschritt und liegen mittlerweile höher als bei den beiden letzten Börsencrashs die das Weltfinanzsystem zutiefst erschütterten. Kein Wunder, dass Finanzexperten wie George Soros und Marc Faber im Herbst 2017 wieder eine Crashgefahr wittern.
Welchen Zusammenhang gibt es zwischen zwischen Börsenkursen und eingegangenen Krediten für Aktienkäufe geben? – Ein Erklärungsversuch
Der Zusammenhang zwischen den Börsenkursen und der Entwicklung von Aktienkrediten, der im sogenannten NYSE Margin Debt gemessen wird, ist leicht zu verstehen. Nach einem Crash gibt es nur wenige Aktien, die auf Kredit gekauft werden. Mit zunehmendem Optimismus jedoch steigen die Kurse, weil immer mehr Anleger Kredite zum Kauf von Aktien aufnehmen, was wiederum die Aktienkurse steigen lässt. Nun beginnt eine Aufwärtsspirale. Die gestiegenen Aktienkurse ziehen noch mehr Käufer an, die zum Teil Aktien durch die Aufnahme von Krediten erwerben usw.
Kommt es aber wegen Störungen in der Wirtschaft zu einem Stimmungsumschwung, kann dies an der Börse zu deutlichen Kursrückgängen führen. Diejenigen, die Aktien mit Krediten erworben haben, sind nun häufig gezwungen, ihre Aktien panikartig zu verkaufen. Das gleiche gilt für all diejenigen, die Aktien mit Hebelinstrumenten, also Derivaten, wie beispielsweise Futures, gekauft haben und nun sogenannte Margin Calls (Aufforderung, Eigenkapital nachzuschießen) erhalten. Dies löst jetzt verständlicherweise eine Kettenreaktion aus, die zu weiter sinkenden Börsenkursen führt und in einem erneuten Börsencrash enden kann.
Darum ist, trotz der allgemein guten Stimmung an den heutigen Börsen, Vorsicht geboten. Wie man sich gegen unliebsame Börsenverluste absichern kann, hat Ullrich Angersbach in einem anderen Artikel beschrieben: www.ullrich-angersbach-kursverluste.de
Wie kann man an einem Börsencrash verdienen?
Wer will, kann sogar auf sinkende Kurse setzen. Wer eine solche Wette mit Optionen oder Futures auf den Aktienindex eingeht, zahlt hierfür zurzeit eine niedrige Prämie. Das liegt daran, dass der Chicago Board Options Exchange SPX Volatility Index (VIX-Index), der die Preisschwankungen des S&P 500 abbildet, im historischen Vergleich auch sehr niedrig liegt (Juni 2017). Damit sind auch die Preise für Optionen und Futures gerade sehr niedrig und man kann beispielsweise mit einem Einsatz von einem Euro, gerade mehr als 20 Euro verdienen, vorausgesetzt, der S&P 500 fällt in den nächsten 30 Tagen um wenige Prozentpunkte (andernfalls geht allerdings der Wetteinsatz verloren).
Was könnte einen Börsencrash auslösen?
Ein Börsencrash ist jederzeit möglich und wird vermutlich von unerwarteter Seite ausgelöst, denn andernfalls wäre dieses Risiko schon in den Aktienkursen eingepreist. In der obigen Graphik sind einige Beispiele aufgeführt.
Eine wenig beachtete Gefahr könnte von China ausgehen. China kauft seit Jahren weltweit massiv Gold auf. Möglicherweise beabsichtigten die Chinesen für ihre Währung eine Golddeckung einzuführen. Das könnte dazu führen, dass immer mehr Handelspartner von China nicht mehr in US-Dollar, sondern in Yuan fakturieren würden. Damit wäre die US-Dominanz gebrochen und der Wert des US-Dollars als weltweite Leitwährung gefährdet. Das könnte einen ganz unerwarteten Börsencrash verursachen.
Wer sich tiefer mit dem Thema befassen will sollte das Buch vom berühmten Ökonomen John Kenneth Galbraith mit Vorwort des Chrash-Propheten und Anlagemanagers Prof. Dr. Max Otte lesen:
Was werden die Zentralbanken tun, wenn Aktienbörsen zu crashen drohen?
Es ist zu hoffen, dass auch dann wieder weltweit alle wichtigen Zentralbanken (USA, Europa, Japan, China und Großbritannien etc.) durch direkte oder indirekte massive Aktienkäufe, einen Crash im Keim zu ersticken werden. Denn allen Beteiligten sollte klar sein: Diesmal geht es ums Ganze. Es geht um nicht weniger als das hochverschuldete Weltfinanzsystem vor dem Untergang zu retten!
Aktualisierung am 6. April 2020: Gerade haben wir den schnellsten Börsencrash erlebt, er war noch schneller als der von 1929, der Mutter aller Börsencrashs der Neuzeit. War dieser Crash vorherzusehen? Wäre er vorhersehbar gewesen, dann wäre es schon frühzeitig eingepreist gewesen. Nein, selbst als die Corona-Krise in China ihren Lauf begann, wo man sich in Sicherheit und die Börsen zeigten sogar vereinzelnd All-Time-Highs. Dann aber begannen einzelne Staaten mit den Lockdown und legten ganze Wirtschaftsbereiche lahm. Nun war eine Weltrezession fast unvermeidlich. Innerhalb weniger Wochen, wurde klar: die Corona-Krise wird heftig und sie dauert länger als ursprünglich erwartet. Zentralbanken und die Regierungen tun ihr Möglichstes, um den wirtschaftlichen Schaden so gering wie möglich zu halten. Wird es ihnen auch diesmal gelingen, bald wieder Normalität herzustellen?
Es kommt darauf an, wie lange der Lockdown dauern wird. Auf Deutschland bezogen erscheinen folgende Annahmen realistisch: ca. 50 Mio. Menschen müssen an Corona erkrankt sein, bis eine Herden-Immunität erreicht ist. Diese Immunität soll nämlich dann erreicht sein, wenn 60% der Bevölkerung erkrankt waren (84x0,6=50). Ein Prozent davon müssen voraussichtlich auf eine Intensivstation, also 0,5 Mio. Menschen.
Aktualisierung vom 20. Juli 2020: Durch den konsequenten Lockdown in Ländern wie Deutschland, Italien oder Griechenland konnte das Schlimmste verhindert werden und die Zahlen der an Corona-Neuinfizierten wurde auf ein Niveau gedrückt, dass es erlaubt, wesentliche Lockerungen zu gestatten. Die Wirtschaft erholt sich aus der Rezession und die Börsen notieren wieder Nahe ihrem Allzeit-Hoch. Nur in einigen Ländern, wo der Lockdown zu spät oder zu lasch verhängt wurde, steigen die Zahl der Neuinfizierten und auch die Zahl der Corona-Toten dramatisch. Dazu gehören Länder wie die USA, Israel, Indien und Brasilien. Es bleibt abzuwarten, wie sich dies auf die jeweilige Wirtschaft auswirkt.
Aktualisierung vom 8. Juli 2020: Tja, ungewohnte Inflationszahlen, Krieg in der Ukraine und anhaltende Lieferkettenprobleme wegen wieder steigender Corona-Erkrankungen, Energiewende mit einhergehender Energieverteuerung etc. All das ist nun schon in den Aktienkursen eingepreist. Wenn es nicht schlimmer wird, ist der Weg für eine Erholung der Wirtschaft frei. Allerdings könnte sich durch neue Blockbildungen "Westen gegen Russland und China" die weltweite Arbeitsteilung mittelfristig zurückbilden, was zu Wohlstandsverlusten führen wird.
Hier einige Artikel zum Thema der Geschichte von "Börsencrashs":
https://www.ing.de/wissen/faz-boersencrashs/
https://zendepot.de/boersencrash-finanzkrise/
Hinweis: Dieser Artikel stellt keine Anlageberatung von Ullrich Angersbach dar. Er gibt lediglich seine Meinung wieder. Für die hier dargestellten Fakten übernimmt Ulrich Angersbach keinerlei Haftung.
Weiter Artikel von Ullrich Angersbach findet man unter folgenden Links:
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